Im Deutschen existieren noch keine etablierten Pronomen der dritten Person für non-binäre Menschen. Einige non-binäre Personen bitten deshalb ihre Mitmenschen darum, keine Pronomen für sie zu verwenden. Andere benutzen sogenannte «Neopronomen» wie «xier» oder «dey». Wieder andere benutzen für sich die etablierten «sie» oder «er» sowie auch «es». Gewissen non-binären Personen ist es aber auch total egal, welche Pronomen andere für sie verwenden.
Die wichtigen Punkte zur Anwendung von Pronomen
1Wir können anderen ihre Pronomen nicht ansehen. Deshalb müssen wir danach fragen. Wenn alle ihre Pronomen jeweils sagen (z.B. bei Vorstellungsrunden), kann das Teilen von Pronomen normalisiert werden.
2Gewisse non-binäre Personen verwenden die Pronomen «sie» oder «er». Sie sind deswegen nicht weniger non-binär. Auch «es» wird von einigen verwendet.
3Verwendet eine Person keine Pronomen, können wir den Namen benutzen. Wenn wir von einer Person weder die Pronomen noch den Namen kennen, können wir die Person auch einfach beschreiben (z.B. mit rotem Pulli).
4Neopronomen sind Wortneuschöpfungen, um sich auf non-binäre Personen beziehen zu können. Beispiele für Neopronomen sind: dey, hen, nin, xier (mehr zur Verwendung siehe unten).
5Wir sollten uns darauf gefasst machen, dass Menschen ihre Pronomen ändern können. Damit können wir uns dann entsprechend schnell auf die neuen Pronomen einstellen.
Nur wer die Lebensrealitäten non-binärer Menschen kennt, kann auch verstehen, wie wichtig die korrekte Verwendung von Pronomen ist.
Video: Der Krampf mit den Pronomen [3:29 Min., Schweizerdeutsch] (SRF, Dini Mundart, 2024)
Was sind Pronomen?
Pronomen (Fürwörter) sind eine Klasse von Wörtern, die «an die Stelle eines Nomens» treten d.h. sich auf Personen oder Dinge beziehen. Viele Pronomen der dritten Person drücken dabei auch das Geschlecht dieser Personen oder Dinge aus. Am wichtigsten sind in diesem Zusammenhang die Personalpronomen (er, sie, es etc.) und Possessivpronomen (sein, ihr etc.).
Im Deutschen gibt es heute offiziell nur die folgenden grammatischen Geschlechter:
- Maskulinum (er, sein etc.)
- Femininum (sie, ihr etc.)
- Neutrum (es, sein etc.)
Zwar gibt es im Deutschen das Neutrum, dieses wird aber eigentlich nicht für Menschen benutzt. Es kann aber z.B. für Kinder verwendet werden (z.B. Es hat wieder nicht geschlafen) oder in gewissen schweizerdeutschen Dialekten wird es auch für Frauen verwendet (z.B. Geschter hät s’ Dorli wider aaglütet).
In anderen Sprachen gibt es zum Teil etablierte Pronomen für non-binäre Menschen (z.B. «they» im Englischen oder «hen» im Schwedischen). Gewisse Sprachen kennen auch gar keine gegenderten Pronomen (z.B. das Finnische) und wieder andere haben gar keine Pronomen (z.B. Mandarin). Mehr dazu: Pronomen und grammatisches Geschlecht in anderen Sprachen im Nichtbinär Wiki.
Der Verein für geschlechtsneutrales Deutsch möchte sich dafür einsetzen, dass es in Zukunft auch im Deutschen etablierte geschlechtsneutrale Pronomen und andere Ausdrücke gibt.
Fragen nach Pronomen
Da wir anderen Personen nicht ansehen können, welche Pronomen sie verwenden, müssen wir uns dazu austauschen (Tipp: einige non-binäre Personen tragen auch Ansteckbuttons mit ihren Pronomen drauf). Eine einfache Möglichkeit nach Pronomen zu fragen, ist sich selbst mit den eigenen Pronomen vorzustellen und dabei auch nach den Pronomen der anderen Person zu fragen.
Beispiel:
Mein Name ist Max und mein Pronomen ist «er». Wie heisst du und was ist dein Pronomen?
Zu beachten beim Fragen nach Pronomen:
- Nicht fragen nach bevorzugten Pronomen, sondern einfach «was sind deine Pronomen». Die Pronomen sind kein «Wunsch», d.h. sie sind nicht optional.
- Nicht nur diese Personen nach Pronomen fragen, die «aussehen als hätten sie nicht-binäre Pronomen». Wir können das nicht sehen und es ist unangenehm für diese Personen. Ausserdem führt dies vielleicht dazu, dass eine Person unfreiwilligerweise geoutet wird.
Was wir tun können, um das Teilen von Pronomen zu normalisieren:
- Bei Begrüssungen oder Vorstellungsrunden zu dem Namen auch Pronomen sagen.
- In der digitalen Kommunikation Pronomen in die Mail Signatur, das User Profil etc. schreiben.
- An Events mit Namensschildern die Pronomen nach dem Namen vermerken.
Beispiel: Pronomen in der Signatur (non-binäre Beispiele bei Coming-out):
Petra Muster (Pronomen: sie)
Logopädin
Verschiedene Pronomen in der Anwendung
Da es im Deutschen noch keine etablierten Standards aber ganz viele Vorschläge für neue Pronomen gibt, können hier nicht alle möglichen Pronomen erwähnt werden. Hier eine kleine Auswahl:
Es, sie oder er
Gewisse non-binäre Menschen verwenden für sich als Pronomen es, sie oder er. Weil diese in der deutschen Sprache bereits etabliert sind, beginnen wir mit ihnen.
Beispiele:
Es: Quinn mag Musik. Es mag vor allem Pop. Aber seine Sammlung enthält auch viele andere Musikstile.
Anmerkung: Bei es fallen gewisse Formen mit denen von er zusammen (z.B. bei Verwendung im Dativ oder als Possessivpronomen) und das kann potenziell zu Verwirrung führen. Weiter ist zu erwähnen, dass «ihre» oder «dessen» auch als Possessive für das es verwendet werden können und auch verwendet werden.
Sie: Quinn mag Musik. Sie mag vor allem Pop. Aber ihre Sammlung enthält auch viele andere Musikstile.
Er: Quinn mag Musik. Er mag vor allem Pop. Aber seine Sammlung enthält auch viele andere Musikstile.
Anmerkung: Wenn non-binäre Menschen die Pronomen sie oder er verwenden, stellt das in keiner Weise ihr non-binäres Geschlecht in Frage. Non-binäre Menschen können diese Pronomen verwenden so wie sie sich auch klassisch «weiblich» oder «männlich» kleiden können. Pronomen können wir zum Geschlechtsausdruck zählen und dieser hat nichts mit der Geschlechtsidentität zu tun (siehe Grundlagen).
Keine Pronomen
Gewisse Personen verwenden keine Pronomen für sich. Dann können wir einfach den Namen verwenden. Wenn wir die Person nicht kennen bzw. den Namen nicht wissen, dann können wir sie auch beschreiben, ohne dabei gegenderte Worte zu benutzen.
Beispiele:
Name verwenden: Quinn mag Musik. Quinn mag vor allem Pop. Aber Quinns Sammlung enthält auch viele andere Musikstile.
Person beschreiben: Die Person [Der Mensch] mit dem blauen Pulli hat eine grosse Musiksammlung.
Das «singular they» im Deutschen verwenden
Im englischsprachigen Raum hat sich das geschlechtsneutrale «singular they» durchgesetzt. Fachpersonen sind sich einig, dass diese Anwendung von they korrektes Englisch ist und auch schon z.B. von Shakespeare verwendet wurde (mehr dazu: singularthey.info). Nun beginnen vermehrt Menschen das «They» auch im Deutschen für sich zu verwenden.
Wir beschreiben das They in diesem Abschnitt (nicht unter den Neopronomen), weil es im Englischen auch nicht als Neopronomen gilt und viele Leute in der Schweiz gut Englisch sprechen.
Beispiele:
Englisch: Quinn likes music. They like pop most of all. But their collection also contains many other music styles.
Deutsch: Quinn mag Musik. They mag vor allem Pop. Aber their Sammlung enthält auch viele andere Musikstile.
Neopronomen im Deutschen
Neopronomen sind Wortneuschöpfungen, um sich auf non-binäre Personen beziehen zu können. Das sind relativ neue Lösungen für diese sprachliche Herausforderung, die zwar schon sehr viel länger besteht, aber heute nun zusehends adressiert wird.
In diesem Zusammenhang ist aber auch wichtig zu verstehen, dass jedes Wort «erfunden» ist und Sprache sich immer wandelt. 2009 war «Instagram» noch nicht wirklich ein Wort. Aber heute gibt es keine Diskussionen darüber, ob das nun ein Wort sei oder nicht. Gewisse Neopronomen gibt es aber schon länger als Instagram.
Hier eine kleine Auswahl von Neopronomen (mehr Pronomen im Nichtbinär-Wiki):
dey, hen, em, en, nin, sier, xier
Dey Pronomen
Das «dey» ist eine eingedeutschte Schreibweise von dem englischen «they» (siehe oben). Mehr dazu: dey im Nichtbinär-Wiki
Beispiel:
Quinn mag Musik. Dey mag vor allem Pop. Aber deren Sammlung enthält auch viele andere Musikstile.
Hen Pronomen
Das geschlechtsneutrale Pronomen «hen» stammt aus dem Schwedischen (Wikipedia Eintrag [EN]) und wird heute auch oft im Deutschen verwendet (siehe z.B. beim NoNa-System).
Mehr dazu: hen im Nichtbinär-Wiki
Beispiel:
Quinn mag Musik. Hen mag vor allem Pop. Aber hens Sammlung enthält auch viele andere Musikstile.
Em Pronomen
Mehr dazu: em im Nichtbinär-Wiki
Beispiel:
Quinn mag Musik. Em mag vor allem Pop. Aber ems Sammlung enthält auch viele andere Musikstile.
En Pronomen
Mehr dazu: en im Nichtbinär-Wiki
Beispiel:
Quinn mag Musik. En mag vor allem Pop. Aber enes Sammlung enthält auch viele andere Musikstile.
Nin Pronomen
Mehr dazu: nin im Nichtbinär-Wiki
Beispiel:
Quinn mag Musik. Nin mag vor allem Pop. Aber nimse Sammlung enthält auch viele andere Musikstile.
Sier und xier Pronomen
Die Pronomen «sier» und «xier» gibt es schon relativ lange und diese werden auch in einigen Filmsynchronisationen, Untertiteln etc. verwendet (siehe Illi Anna Heger).
Mehr dazu: sier im Nichtbinär-Wiki und xier im Nichtbinär-Wiki oder bei Illi Anna Heger
Beispiele:
Sier: Quinn mag Musik. Sier mag vor allem Pop. Aber siese Sammlung enthält auch viele andere Musikstile.
Xier: Quinn mag Musik. Xier mag vor allem Pop. Aber xiese Sammlung enthält auch viele andere Musikstile.
Wenn Menschen mehrere Pronomen angeben
Einige non-binäre Menschen geben jeweils mehrere Pronomen für sich an (z.B. sie/es, he/they). Was bedeutet das? In der Tat kann das unterschiedliches heissen. Für einige heisst das einfach: «Verwende dieses oder jenes». Für andere kann das aber auch heissen: «Wechsle doch bitte ab, wenn du über mich sprichst». Aber da wir nicht wissen können, was die Präferenz einer Person ist, müssen wir sie fragen.
Eine Möglichkeit, um das klarer zu machen, könnte sein:
- Pronomen: sie oder es [Bedeutung: Wähle eines aus, ich habe keine Präferenz.]
- Pronomen: sie und es [Bedeutung: Bitte verwende beide Pronomen abwechslungsweise.]
Dieser Vorschlag muss sich dann aber erst noch etablieren, dass wir uns auch darauf verlassen können.
Pronomen können sich ändern über die Zeit
Für viele non-binäre Menschen ist die Sicht auf ihr eigenes Geschlecht ein dynamischer Prozess. Deshalb ist es auch gut möglich, dass sich über die Zeit verändert, welche Pronomen sich gut anfühlen. So sollten wir uns darauf gefasst machen, dass Menschen ihre Pronomen ändern und uns entsprechend anpassen.
Anmerkung: Gewisse non-binäre Menschen verwenden in verschiedenen Kontexten unterschiedliche Namen/Pronomen (z.B., weil sie nicht überall out sind).
Wenn wir Fehler machen
Es kann uns allen passieren, dass wir bei der Verwendung von Pronomen Fehler machen, d.h. wir eine Person misgendern. Falls uns hier mal ein Fehler unterlaufen sollte, können wir uns einfach kurz entschuldigen und korrigieren. Wichtig ist, dass wir die Entschuldigung kurz halten.
Beispiel:
Entschuldige, ich wollte sagen «hen».
Anmerkung: Falls uns das Misgendering in einer Gruppe passiert, kann es hilfreich sein, wenn wir uns in der Gruppe einfach nur korrigieren und uns dann später in einer 1:1 Situation noch kurz entschuldigen. Dann bekommt die Situation in der Gruppe nicht eine allenfalls unangenehme Aufmerksamkeit.
Wenn andere in Abwesenheit einer Person diese misgendern, sollten wir sie auch auf den Fehler aufmerksam machen oder auch uns selbst korrigieren, falls uns der Fehler passiert. So können wir der Gruppe helfen, die noch ungewohnten Pronomen schnell zu lernen.
Beispiel:
Hey du, erinnerst du dich, Quinn verwendet «hen» als Pronomen.
Anmerkung: Je nach Situation kann es nötig sein, die andere Person explizit darauf aufmerksam zu machen. Manchmal kann es aber auch reichen, wenn wir dann einfach auch etwas über die abwesende Person sagen und dabei die richtigen Pronomen verwenden.
Neopronomen in anderen Sprachen
Französisch
Varianten von französischen Neopronomen (Quelle: La vie en queer):
iel, yel, ielle, al, ol, olle, ul, ulle, ael u.v.m.
Anmerkung: Im Französischen sind neben den Pronomen auch die sogenannten «Accords» sehr wichtig, weil hier auch die Adjektive ein Geschlecht annehmen (Lösungen können z.B. so aussehen: «heureuse» wird zu «heureuxe»; «contente» wird zu «content.x.e»). Mehr dazu: La vie en queer
Englisch
Obwohl sich im Englischen inzwischen das «Singular They» (siehe oben) als Standard durchgesetzt hat, gibt es im englischsprachigen Raum einige non-binäre Menschen, die andere Pronomen für sich verwenden.
Varianten von englischen Neopronomen (Quelle: nonbinary.wiki):
xe/xem, e/em, ze/hir, it/its, fae/faer u.v.m.
Weitere Quellen zu Pronomen
- Merkblatt als PDF: Merkblatt für inklusive Kommunikation
- Pronomen (Nichtbinär-Wiki)
- Pronomen ohne Geschlecht (von Illi Anna Heger)
- Heft: Mein Name ist _ und mein Pronomen ist _
- Verein für geschlechtsneutrales Deutsch
- Andere Sprachen:
- Pronomen und grammatisches Geschlecht in anderen Sprachen (Nichtbinär Wiki)
- Pronouns (nonbinary.wiki)
- Englisch:
- singularthey.info
- iheartsingularthey.com
- mypronouns.org (von Shige Sakurai) resources on personal pronouns
- Buch: What’s Your Pronoun?: Beyond He and She (von Dennis Baron)
- Artikel: What People Get Wrong About They/Them Pronouns (Wren Sanders, 2019, them.)
- Artikel: Understanding Neopronouns (The Human Rights Campaign, 2022)
- Audio: They/Them and the evolution of English [12 Min.] (2024, TED Radio Hour, npr)
- Französisch: Petit dico de français neutre/inclusif (von La vie en queer)
- Mehr zu geschlechtsneutraler Grammatik: siehe Sprache
- Sprachleitfäden: siehe Kommunikation
- Blogbeitrag: Pronomen im iPhone hinzufügen: besser den Überblick behalten über Pronomen von verschiedenen Leuten (9.10.2023)
- Medienbeiträge zu Pronomen:
- Text und Video: Genderneutrale Pronomen im Deutschen: Es ist kompliziert (SRF, 2024)
- Podcast: (Neo-)Pronomen – warum sie manchmal kompliziert, aber wichtig sind [32 Min.] (Podcast Willkommen im Club, 23.2.2022)
Text von: Evianne Hübscher
Erste Veröffentlichung: 20.10.2021 | Letztes Update: 2.5.2024
Vielen Dank für die wertvollen Feedbacks: Henrik Amalia von Dewitz (hen/sie) und Myr (nicht-binär, er)